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Wie vernetzte Mobilität in Zukunft gelingt

Wie vernetzte Mobilität in Zukunft gelingt

Die meisten Autos sind mittlerweile mit intelligenten Assistenzsystemen ausgestattet. Die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und ihre Verbindung zu Ampeln, Stauwarnsystemen und Infrastrukturen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Connected Mobility ist ein Zukunftsmarkt, der zahlreiche Fallstricke bereithält. Hier kann die Automobilbranche aus den Erfahrungen mit der Elektromobilität und von den Methoden der Corporate Foresight lernen.

Von Sivert von Saldern

Vernetzte Mobilität: Ein Zukunftsmarkt mit Hindernissen

Navi, Spurassistent oder Cruise Control: Die meisten Autos sind mittlerweile mit intelligenten Assistenzsystemen ausgestattet; die Integration von Mobilgeräten in die Fahrzeuge sowie ihre Vernetzung mit dem Internet sind weit fortgeschritten. In den Kinderschuhen steckt jedoch noch die Car2Car- oder Car2X-Kommunikation – die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und ihre Verbindung zu Ampeln, Stauwarnsystemen und Infrastrukturen. Sie sind aber die Voraussetzung für die Zukunftstechnologie der Automobilität, das autonome Fahren.

Die Akteure der Mobilitätsbranche stellen sich derzeit neu auf, denn Connected Mobility verspricht enormes Potenzial: Der Markt für vernetzte Fahrzeuge soll bis 2020 um 45% wachsen – das wäre das 10fache Wachstum des Gesamtfahrzeugmarktes. In fünf Jahren sind voraussichtlich drei Viertel aller Neuwagen vernetzungsfähig, ab 2025 dürfte autonomes Fahren auch außerhalb geschützter Umgebungen machbar sein.

Politiker, Verkehrsplaner und Autofahrer erhoffen sich davon einen Zugewinn an Sicherheit und Komfort sowie eine Verminderung von Staus und Verkehrsbehinderungen. Hersteller, Zulieferer und Infrastruktur-Lieferanten sehen sich dabei mit zahlreichen Fragen konfrontiert:

  • Wie viele Fahrzeuge müssen vernetzt sein, damit die Technologien überhaupt funktionieren?
  • Wer sind die dominanten Akteure der vernetzten Zukunft, wo ändert sich die Wertschöpfungslogik?  
  • Wie kann die Ausbreitung der Technologien beschleunigt werden?
  • Wie kann angesichts von Datenschutzbedenken, Sicherheitslücken und höheren Kosten die Akzeptanz für intelligente Fahrzeuge erhöht werden?

Connected Mobility ist ein Zukunftsmarkt, der zahlreiche Fallstricke für die vielen Akteure bereithält. Hier kann die Automobilbranche aus den Erfahrungen mit der Elektromobilität und von den Methoden der Corporate Foresight lernen – wie, das zeigt dieses White Paper.

Potenziale vernetzter Mobilität

Vernetzte Lösungen auf der Langstrecke

Viele Anwendungsfelder der vernetzten Mobilität kommen ohne entsprechend ausgestattete Infrastrukturen aus – zum Beispiel Car2Car-Assistenzsysteme oder Cruise Control, das automatische Fahren im Stop-and-Go-Verkehr. So zeigen Car2Car-Kommunikationstechnologien, die Fahrzeuge miteinander „sprechen“ lassen, auf Autobahnen schon dann eine staureduzierende Wirkung, wenn nur 15% aller Fahrzeuge damit ausgestattet sind. Bei einem Ausstattungsgrad von 30% könne das Maximum an Effektivität erreicht werden. Diese Schwarmintelligenz kann einen Beitrag zur Optimierung von Verkehrsflüssen leisten: 20% der Staus, die durch Überlastung entstehen, könnten in Zukunft so verhindert werden – davon geht der Stauforscher Michael Schreckenberg aus. Voraussetzung: Genügend Autos müssen mit den Vernetzungstechnologien ausgestattet sein.



Die Stop-and-Go-Assistenz „Adaptive Cruise Control“ funktioniert bei den meisten Herstellern derzeit nur bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h. Für höhere Geschwindigkeiten sind auch höhere Ausstattungsgrade erforderlich, d.h. die Zahl der ausgestatteten Fahrzeuge müsste wesentlich steigen, um sie auch bei normalem Autobahnverkehr bei Geschwindigkeiten von über 100 km/h verlässlich einzusetzen.

Intelligente Lösungen für den Stadtverkehr

Im urbanen Verkehr hingegen genügen intelligente Fahrzeuge allein nicht, sondern Infrastrukturen müssen mit einbezogen werden, um den Verkehrsfluss am Laufen zu halten. Zum Beispiel lässt der Ampelassistent Fahrzeuge mit Ampeln kommunizieren, so dass diese dann entsprechend ihre Intervalle anpassen. Verkehrsleitzentralen weisen auf Ausweichrouten hin, um eine gleichmäßige Auslastung des Straßennetzes zu erreichen. Schon 2013 erreichte IBM in einem Pilotprojekt in Köln eine 90-prozentige Vorhersagegenauigkeit mit der Auswertung von Daten aus 170 Monitoringstationen im Stadtgebiet.

In Städten stellt sich außerdem die Frage: Ist ein kleines Gebiet mit einem hohen Ausstattungsgrad oder ein großes Areal mit einem mittleren Ausstattungsgrad effektiver? Die Antwort hängt von den erwünschten Zielen ab: Wer einen Stau-Hot-Spot – etwa an Brücken oder Ausfallstraßen – eliminieren möchte, konzentriert Investitionen in Vernetzungstechnologien auf genau dieses Areal. Soll das Straßennetz insgesamt gleichmäßiger ausgelastet werden und Verkehrsteilnehmer auf möglichst viele verschiedene Routen verteilt werden, bietet sich die grobmaschigere Ausstattung mit Connectivity-Lösungen in einem größeren Stadtgebiet an.

Chicago installiert derzeit eine flächendeckende Sensor-Infrastruktur, die Verkehrsflüsse in Realzeit misst und die Anpassung von Ampelphasen oder die Kennzeichnung leerer Parkplätze ermöglicht. Hier stehen Energie- und Zeiteffizienz im Vordergrund. Ähnlich ambitionierte Projekte laufen derzeit auch in New York City, Songdo (Korea) und Lavasa (Indien) an.

Flächendeckend infrastrukturell aufzurüsten scheint derzeit allerdings weder sinnvoll noch notwendig. Einen Ausblick zur künftigen Entwicklung von Connected Mobility wagt Dr. Gereon Uerz, Leader of Foresight and Innovation Europe beim internationalen Planungsbüro Arup: „Mit dem Grad, mit dem sich die Intelligenz in Fahrzeuge verlagert, könnte sich der Bedarf an intelligenten Infrastrukturen wieder verringern. Die Fahrzeuge im ‚Internet der sich bewegenden Dinge’ werden als Knoten in ad-hoc Netzwerken eine bedeutende Rolle einnehmen – vielleicht eine wichtigere als die klassischen Verkehrsleitzentralen.“

Diesen Weg geht derzeit die Stadt Stockholm, die 1500 Taxis mit GPS-Geräten ausgestattet hat und anhand deren Bewegungsmustern den Verkehrsfluss in der skandinavischen Metropole modelliert – statt wie Chicago die Infrastrukturen zu vernetzen.

Autonomes Fahren: Die Königsdisziplin der vernetzten Intelligenz

Die Königsdisziplin vernetzter Mobilität, das autonome Fahren in selbstfahrenden Autos, setzt eine umfangreiche Vernetzung von Fahrzeugen untereinander sowie mit den entsprechenden Infrastrukturen voraus. Auch hier gilt: Auf Langstrecken, besonders auf kreuzungsfreien Autobahnen, genügt vorerst eine Kombination aus Umfeld-Sensorik und Car2Car-Technologien. Erst kürzlich wurde ein Abschnitt der A9 in Bayern als Teststrecke für autonomes Fahren freigegeben, so dass die Technik dort gefahrlos ausprobiert werden kann. Der Abschnitt bietet eine optimale, d.h. maschinenlesbare Fahrumgebung für autonomes Fahren: einheitliche Beschilderung, erkennbare Fahrstreifen und Kommunikationsknotenpunkte.

Jenseits von Autobahnen wird jedoch eine intensive Kommunikation und Vernetzung mit Infrastrukturen notwendig; außerdem kommt eine größere Vielfalt an Verkehrsträgern ins Spiel. Wie verhalten sich Fahrzeuge angesichts nicht-vernetzungsfähiger Verkehrsteilnehmer, wie gehen sie mit Straßenführungen um, die sich angesichts von Baumaßnahmen häufig verändern? Besonders die verwinkelten europäischen Städte mit ihren vielen Fußgängern und Fahrradfahrern stellen mittelfristig eine enorme Herausforderung für das vollständig autonome Fahren dar. Am ehesten wäre es noch in schachbrettartigen Städten, wie man sie typischerweise im Mittleren Westen der USA findet, denkbar.

Noch wird davon ausgegangen, dass autonomes Fahren bis 2025 hauptsächlich in geschlossenen Gebieten umsetzbar ist. Gereon Uerz von Arup kann sich neben „großen Campusarealen, Fabrikgeländen oder Planstädten auch eine vollständig automatische Nahbereichsmobilität, etwa im Quartier oder einer kleinen Kommune vorstellen.“  Ein entsprechendes Testgelände, das eine realistische US-amerikanische Stadtverkehrssituation widergibt, wurde erst kürzlich in Ann Arbor in Michigan eröffnet. Auch wenn viele Gebäude und andere Hindernisse dort nur Kulisse sind – selbst das Linksabbiegen an Ampelkreuzungen klappt schon recht reibungslos.

Was nützen dem Kunden selbst fahrende Autos?

Wie werden Nutzer auf selbst fahrende Fahrzeuge reagieren? Die Generation Y mag autonome Fahrzeug-Funktionen schon bald für selbstverständlich halten. Aber die Mehrheit der jetzigen potentiellen Käufer gehört zu einer Generation, die sich noch an handbetriebene Fensterheber erinnern kann. Um diese Kunden vom autonomen Fahren zu überzeugen – insbesondere solange noch erhebliche Mehrkosten damit verbunden sind – müssen nicht nur hoher Bedienkomfort und absolute Zuverlässigkeit gewährleistet sein. Vor allem muss der Mehrwert, den autonomes Fahren bietet – nämlich Entlastung, Sicherheit und Effizienz – unmittelbar erfahrbar sein.

Ohne eine deutliche Erkennbarkeit dieser Zusatznutzen werden konservative Kunden diese Spielwiese einer kleinen progressiven Elite überlassen. Noch ist unklar, wie stark sich Vorzüge wie Zeitersparnisse – man geht von durchschnittlich 50 Minuten mehr frei verfügbarer Zeit am Tag für Autofahrer aus – oder höhere Treibstoffeffizienz, die bei kleinen Testflotten schon heute bei 60% liegt, auf die tatsächliche Akzeptanz auswirken. Noch gibt es etliche Autofahrer, für die der Spaß am Fahren zählt und die sich ungern das Steuer aus der Hand nehmen lassen würden.

Für Politik und Infrastrukturbetreiber liegen die Vorteile indes auf der Hand; allein die potenziell höhere Sicherheit auf den Straßen ist vielversprechend, immerhin geht man von einer Reduktion tödlicher Verkehrsunfälle um 90% aus. Die Anzahl von Unfällen, für die der Fahrer verantwortlich ist, liegt laut US-Straßenverkehrsamt bei 93% – alle diese Unfälle könnten, sollte in den jeweiligen Situationen die Technologie übernehmen, eliminiert werden. Auch der benötigte Parkraum für autonome Autos wäre 15% geringer als herkömmlich, da man an den Seiten keinen Platz mehr zum Aussteigen lassen muss, wenn sie sich vollständig ohne anwesenden Fahrer einparken würden. Am massivsten könnte sich aber die Anzahl der Fahrzeuge insgesamt verändern.

Schon heute sind selbst zu Peak-Zeiten nur 10 bis 15% aller Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs, das heißt zu jeder Zeit sind über 80% aller Fahrzeuge ungenutzt. Würden sich Autos selbstfahrend verteilen und zu ihren Nutzern begeben, könnte man die Gesamtzahl der benötigten Fahrzeuge enorm verringern – ein „Nutzen-statt-Besitzen“-Modell vorausgesetzt. Das Carsharing-Geschäftsmodell könnte ungeheure Potenziale entfalten, wenn intelligente Fahrzeuge alleine zum Nutzer kommen würden und nicht umgekehrt. Während viele OEM und Mobilitätsdienstleister noch über die Potenziale des autonomen, vernetzten Fahrens für ihre Flotten nachdenken, mischt der amerikanische E-Hailing-Fahrdienst Uber schon massiv in der Weiterentwicklung des autonomen Fahrens mit, investiert in optische Sensoren und Kartendienste und richtet sein Geschäftsmodell langfristig gerade auf Nutzen statt Besitzen aus, womit er den OEM die strategisch bedeutsame Kundenschnittstelle streitig machen könnte.



Autonome Fahrzeuge verändern die Wertschöpfungslogik

An diesem Beispiel wird deutlich, dass autonome Fahrzeuge die Akteurslandschaft der Mobilität und ihre Wertschöpfungslogik massiv verändern werden. In der Vergangenheit war immer wieder zu beobachten, wie neue Akteure angesichts neuer Technologien viel unerschrockener auftreten als die marktbeherrschenden Akteure. Allein die Tatsache, dass sich die Führungskräfte innerhalb einzelner Automobilhersteller noch zögerlich oder gar uneinig angesichts selbstfahrender Autos geben, lässt erahnen, welche Umwälzungen bevorstehen. Jetzt schon ist absehbar, dass sich die Kunden die Anführer der digitalen Revolution selber aussuchen werden – ohne Rücksicht auf bestehende Machtverhältnisse.
 
Die Wertschöpfungslogik wird sich nicht nur an der Kundenschnittstelle, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette verändern und mehr als nur die Automobilindustrie betreffen. Dies beginnt bei der Entwicklung, wo OEM schon heute an Einfluss gegenüber IT-Unternehmen verlieren. Nicht wenige OEM sind gerade intensiv dabei, ihre IT-Strukturen den neuen Bedürfnissen anzupassen. Selbst am Ende der Wertschöpfungskette, bei Reparatur und Instandhaltung, sind enorme Veränderungen absehbar. Vermutlich werden unabhängige Werkstätten für den Service an autonomen Fahrzeugen und Features in Zukunft nicht mehr zugelassen werden. Betroffen sind aber auch weitere angrenzende Branchen: Die Versicherungen etwa hätten statt unzähligen Einzelkunden nur noch ein gutes Dutzend Automobilhersteller als Kunden, sollte man sich darauf einigen, dass nicht der Fahrer, sondern der Hersteller des (autonomen) Fahrzeugs für Schadensfälle verantwortlich ist.

Barrieren auf dem Weg zur Connected Mobility

Die Vorteile vernetzter Mobilität und des autonomen Fahrens liegen auf der Hand, die technologische Entwicklung dürfte schnell voranschreiten. Die wesentlichen Hürden liegen aber teilweise jenseits des Einflussbereiches der Automobilhersteller.

Hacker-Angriffe und Sicherheitslücken

Die am meisten diskutierte Barriere sind derzeit Datensicherheitsbedenken. Die jüngsten experimentellen Hacker-Angriffe auf fahrende Fahrzeuge haben dem Aufwind gegeben: In einem Experiment des Magazins WIRED wurde bei voller Fahrt der Motor eines Jeeps abgeschaltet, während die Hacker gemütlich auf der Couch im Redaktionsgebäude saßen.

Eventuelle Datensicherheitslücken müssen schnellst möglich geschlossen werden, fordert Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management, einem Think-Tank für die Automobilindustrie. Sein Vorschlag: „Aus Angst vor Sicherheitslücken kann es jetzt nicht heißen ‚Finger weg von IT-Technik im Auto’. Vielmehr muss die eingesetzte Technologie zuverlässig und sicher sein, die Hersteller müssen entsprechend investieren. Als erstes müssen Unterhaltungs- und Steuerungsfunktionen klar getrennt werden. Wenn die Unterhaltungssoftware angegriffen wird, wären nicht auch gleich Fahrzeugsteuerung und Sicherheitsfunktionen betroffen."

Geringe Aufpreisbereitschaft der Auto-Käufer

Für viele potenzielle Kunden stehen die hohen Kosten vernetzter Fahrzeuge bisher in keinem Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen. Ähnlich wie bei umweltrelevanten Technologien erhalten Vernetzungs-Features zwar breite Zustimmung unter Autofahrern, aber die Aufpreisbereitschaft ist gering. Kommt dann noch der Aspekt hinzu, dass die Kunden die Features wegen der fehlenden kritischen Masse nicht nutzen können, schwindet gar jegliches Interesse, und man wartet darauf, dass andere – i.d.R. Infrastrukturbetreiber oder Gesetzgeber – in Vorleistung gehen.

Lückenhafte Standardisierung

Bisher existieren nur für wenige Einsatzzwecke standardisierte Kommunikationsprotokolle. Fahrzeuge verschiedener Hersteller haben Schwierigkeiten, miteinander zu kommunizieren. So kann der maximale Vernetzungsgrad nicht erreicht werden – was vermeidbar wäre, wenn Politik und Wirtschaft hier an einem Strang ziehen. Entsprechende Bemühungen, wie sie derzeit im Car2Car Consortium auf EU-Ebene vorgenommen werden, sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Automobilbranche kann hier von den Pannen bei der Elektromobilität lernen und es dieses Mal besser machen: Auto- und Batteriehersteller konnten sich nie mit dem Gesetzgeber auf einen einheitlichen Standard für Batterieformate einigen, weshalb der großflächige Ausbau von Batteriewechselstationen nie begonnen wurde. Stattdessen musste man auf die zweitbeste Lösung, nämlich Ladestationen, ausweichen – und hat nun mit Problemen wie belegten Ladesäulen und Vandalismus an Stromkabeln zu kämpfen.

Administrative Hürden

Bei der Optimierung von Verkehrsflüssen durch intelligente Vernetzung sind auch administrative Hürden einzukalkulieren. Dies zeigt ein Beispiel aus Amsterdam: Um den Verkehrsfluss auf der chronisch überlasteten Ringautobahn A10 zu verbessern, wurden von verschiedenen Behörden in den letzten Jahren Maßnahmen für eine intelligente Verkehrssteuerung eingesetzt – allerdings arbeiteten sie teils gegeneinander. Mit dem Einsatz eines zentralen IT-Tools konnten die Maßnahmen entsprechend synchronisiert werden und Stand- und Stauzeiten um nochmal 10% verringert werden.  

Hebel zur effektiven Umsetzung von Connected Mobility  

Gesetzliche Vorgaben

Ein entscheidender Hebel, um die entsprechende kritische Masse der vernetzten Autos und Infrastrukturen zu erreichen, ist die Einführung verpflichtender gesetzlicher Vorgaben. Befürworter verweisen auf erfolgreich umgesetzte Sicherheitstechnologien im Automobilsektor – etwa ABS oder ESC. Bei Technologien zu vernetzter Mobilität, die der Erhöhung der Sicherheit dienen, aber von einer bestimmten kritischen Masse abhängig sind, scheint die Forderung nach verpflichtenden Vorgaben gerechtfertigt.

In den USA überprüft das Verkehrsministerium (USDOT) seit 2014, welche Car2Car-Technologien in Zukunft obligatorisch eingeführt werden, um die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen. Im Fokus steht die Bemühung um eine stärkere Konvergenz von sensor-basierten Technologien und Car2Car-Anwendungen, denn um die Anzahl von Unfällen signifikant zu verringern, müssen Fahrzeuge nicht nur passiv ihre Umgebung wahrnehmen, sondern auch aktiv an andere Fahrzeuge Signale aussenden.

Gesetzliche Vorgaben würden außerdem zwei weitere Barrieren adressieren: Zum einen die Kosten, die den meisten potenziellen Käufern bisher als zu hoch scheinen, zum anderen die lückenhafte Standardisierung. Erfahrungsgemäß treiben Vorgaben die Standardisierung voran – was wiederum die Kosten senkt, weil dann nicht jeder Anbieter seinen eigenen Standard aufwendig entwickelt.

Finanzielle Vorteile für Kunden

Besonders interessant für Kunden sind finanzielle Einsparungen – nicht nur beim Treibstoffverbrauch, sondern auch bei Versicherungsprämien und Steuern. Fahrzeuge günstiger zu versichern, wenn sie mit sicherheitsrelevanter Vernetzungstechnologie ausgestattet sind, wäre ein weiterer Schritt in Richtung Connected Mobility. Aus diesem Grund sammelt Ford in London Daten über das Fahrverhalten und errechnet daraus individuelle Versicherungsbeiträge – bisher noch ein Experiment, könnte dies in Zukunft Standard sein.

Verkehrsdaten sammeln über Smartphones

Ein weiterer Hebel wäre die stärkere Sammlung von Verkehrsdaten via Smartphone. Dies würde die großflächige Einbindung von nicht-vernetzten Fahrzeugen sowie nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmern, also Fußgängern und Fahrradfahrern, ermöglichen. Allerdings können Smartphones nur Daten sammeln und bereitstellen, sie ermöglichen keine direkten Eingriffe in das Verhalten der Nutzer. Somit sind sie zur Steuerung des Verkehrs nicht geeignet. Dem breitflächigen Einsatz von Smartphones im vernetzten Verkehr stehen auch Datenschutzbedenken entgegen. Smartphones stellen derzeit also nur eine Ergänzung zu vernetzten Verkehrslösungen dar.

Vernetztes Fahren im Reallabor

Elektrofahrzeuge können heute in Carsharing-Flotten ohne Verpflichtung getestet werden – warum nicht auch solche Reallabore für vernetzte oder autonome Fahrzeuge einrichten? Der Effekt wäre enorm, vermuten die Gründer der Designforschungs-Plattform design:transfer, Daniela Peukert und Andrea Augsten: „Ihr volles Potenzial werden autonomes Fahren und intelligente Verkehrssteuerung erst dann entfalten, wenn sie sich als System in die Lebenswelt von Menschen integrieren. Dafür braucht es weniger eine kritische Masse, sondern ein Experimentierfeld, in dem ein lernendes System erprobt und kontinuierlich verbessert werden kann.“ Anwendungen sollten direkt mit Nutzern entwickelt werden, um Funktionalitäten und Bedienungsmöglichkeiten zu testen. Für Nutzer müssen die Potenziale des vernetzten Fahrens unmittelbar sichtbar werden. Wichtig ist auch, dass die „Probanden“ eine möglichst große Vielfalt an Verkehrsteilnehmern repräsentieren und nicht nur aus Early-Adopter-Städten wie Berlin, New York oder Vancouver stammen. Denn langfristig müssen die Technologien auch in der vermeintlichen Provinz Akzeptanz finden.

Wege in die Zukunft der Automobilindustrie

Die bessere Auslastung von Infrastrukturen und der Zugewinn an Sicherheit dürfte wohl der größte Anreiz sein, um die Vernetzung der Mobilität voranzutreiben. Staus und Unfälle verursachen jährlich hohe volkswirtschaftliche Verluste, ob in Städten oder auf Autobahnen. Die Technologien sind vielfach schon vorhanden, aber es scheitert noch an der Umsetzung. Hersteller kommen spätestens dann nicht mehr weiter mit ambitionierten Alleingängen, wenn Infrastrukturen mit ins Spiel kommen – sie liegen in der Regel in öffentlicher Hand. Wenn Connected Mobility zum Erfolg werden soll, helfen drei Grundprinzipien von Corporate Foresight: 360°-Blick, Kooperationen und Langfristperspektive.

Branchenübergreifende Kooperation

Um die Potenziale vernetzter Mobilität Schritt für Schritt zu erschließen, ist die engmaschige Kooperation zwischen Herstellern, Kommunen/Staat und der IT-Branche notwendig. So können Synergieeffekte erreicht werden und Reibungsverluste vermieden werden. Connected Mobility heißt, das Blick- und Handlungsfeld zu erweitern, in der Regel über Branchengrenzen hinweg. Die Entwicklung des Themas ist längst nicht mehr nur von technologischen Fortschritten abhängig, sondern auch von politischen Programmen, Förder- und Investitionsbudgets und der Wettbewerbssituation.

Aber nicht nur in der Umsetzung ist Kooperation gefragt, sondern häufig schon viel früher, im Forschungs- und Entwicklungsstadium. Hier kommt das Thema Cross Industry Innovation ins Spiel: Die Entwicklung von Anwendungen jenseits der eigenen Kompetenzfelder gelingt am besten mit dem richtigen Partner. Deren Kompetenzen richtig einzuschätzen und effektiv einzubinden ist für viele Technologie-Player ein völlig neues Erfahrungsfeld.



360°-Blick: Der Kunde im Fokus

Bei dem dafür notwendigen 360°-Blick setzt Corporate Foresight an: Die Identifikation und Bewertung verschiedener Akteure und Einflussfaktoren steht in der Regel am Anfang jedes Foresight-Prozesses. Sie ist ausschlaggebend für erfolgreiche Strategie- oder Innovationsprojekte. Denn noch immer werden bei vielen technologischen Vorhaben die Umfeldfaktoren und -entwicklungen als Nebenschauplätze abgetan.

Dass dies nicht zielführend ist, hat sich bereits herumgesprochen – häufig fehlt aber die Erfahrung für die optimale Einbindung des 360°-Blicks. Denn schnell verliert man ob der Vielzahl der möglichen Faktoren und Entwicklungen den Überblick. Hier bietet Corporate Foresight verschiedene Methoden, um die ausschlaggebenden Aspekte in einem umfassenden, aber doch pointierten Zukunftsbild zu kondensieren.

Von solchen Zukunftsbildern können dann die zukünftigen Bedürfnisse der Nutzer abgeleitet werden. Mit kreativen Methoden können ihr Umfeld, ihre Motivationen und ihre Präferenzen exploriert werden, um dann konkrete Produkt- und Service-Innovationen abzuleiten – natürlich immer angepasst auf das Kompetenzspektrum eines Unternehmens.

Die Langfristperspektive einnehmen – aber richtig

Die nahe Zukunft ist für viele Akteure, besonders im technologischen Bereich, noch gut zu überblicken. Je nach Zeithorizont ergeben sich bei Connected Mobility unterschiedliche Chancen und Herausforderungen: Wenn es um Infrastrukturen und Verkehrsströme geht, genügt der Blick auf die nächsten fünf Jahre nicht. Dann sind langfristige Perspektiven – zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre – notwendig. Die damit einhergehende Unsicherheit kann durch die Entwicklung von alternativen Szenarien aufgefangen werden. Das Instrumentarium von Corporate Foresight setzt da an, wo herkömmliche Prognose- und Planungsinstrumente Lücken aufweisen – bei komplexen, unsicherheitsbelasteten Themen. Es zeigt Handlungsspielräume auf, untermauert Entscheidungen, sichert Investitionen ab und schafft den Rahmen für die notwendigen Dialoge und Kooperationen über Branchengrenzen hinweg.