Menu
Newsletter DE   |   EN
Corporate Foresight als Werkzeug für ein antizipatives Kompetenzmanagement

Corporate Foresight als Werkzeug für ein antizipatives Kompetenzmanagement

Über welche Kompetenzen muss unser Unternehmen in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren verfügen? Und welche Schritte können wir schon heute gehen, um diese Kompetenzen zielstrebig und weitsichtig aufzubauen? In unserem neuen Whitepaper erklären Holger Glockner und Cornelius Patscha, was die Werkzeuge von Corporate Foresight zu einem antizipativen Kompetenzmanagement beitragen können.

Von Holger Glockner

Die neuesten Ergebnisse des jährlichen KPMG CEO Outlooks sprechen eine eindeutige Sprache:

  • 41% der befragten CEOs rechnen in den nächsten Jahren mit einer „kritischen Transformation“ ihres Unternehmens.
  • 77% sehen zukünftig eine stärkere Rolle für Innovation, um ihr Unternehmen erfolgreich am Markt zu positionieren bzw. ihre Position zu behaupten.
  • 65% rechnen damit, dass neue Wettbewerber versuchen werden, ihnen das Geschäft streitig zu machen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den Kompetenzen, die Unternehmen benötigen, um den transformativen Wandel zu bewältigen, den sie in der Mehrzahl bereits erahnen, diskutieren und strategisch in den Griff zu bekommen versuchen. Die klassischen Ansätze des strategischen Managements thematisieren (Kern)­kompetenzen als essenzielle Ressourcen des Unternehmens, als „skills that enable a firm to deliver a fundamental customer benefit“, in der berühmten Formulierung von Prahalad und Hamel. Gemeint sind mit diesen „Skills“ sowohl technische als auch organisatorische Kompetenzen, die in den Köpfen der Mitarbeiter, aber auch in Prozessen und Verfahren verankert sind. Andere Autoren thematisieren Kompetenzen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen oder als in Produkte und Services eingebettete Werttreiber aus Kundensicht. Gemeinsam ist den klassischen Zugängen zum Kompetenzbegriff, dass sie eher nach dem Erkennen, Nutzen und Ausbauen von vorhandenen Kompetenzen fragen – der Strategie-Guru Henry Mintzberg spricht in diesem Zusammenhang von Mustern, die in einem kontinuierlichen Strom unternehmerischen Handelns erkennbar werden – als nach dem Umbau und Neuaufbau von Kompetenzen in einem Klima disruptiver Veränderungen. In einem solchen Umfeld bewegen sich jedoch heute Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen, so dass die Frage nach einem langfristorientierten, antizipativen Kompetenzmanagement sich mit neuer Schärfe stellt.

Zukunft der Arbeit, Zukunft des Unternehmens

Hilfreich ist es hier, einen Zusammenhang zur Debatte um die Zukunft der Arbeit herzustellen. Auf diesem Feld spielt die digitale Transformation als Automatisierungshebel eine zentrale Rolle. Zwar ergibt sich aus den bisher vorliegenden Studien kein einheitliches Bild, wie viele Jobs im Gefolge einer zunehmenden Automatisierung auch anspruchsvoller Tätigkeiten redundant werden könnten. Klar ist jedoch, dass sich die Kompetenzanforderungen an Erwerbstätige zukünftig deutlich verändern werden – nicht zuletzt deshalb weil Arbeitgeber, insbesondere Unternehmen, veränderte Kompetenzprofile am Arbeitsmarkt nachfragen werden. Dies stellt nicht nur Erwerbstätige vor Herausforderungen, sondern auch Unternehmen, die ihre zukünftigen Kompetenzbedarfe abschätzen müssen, um sich am Arbeitsmarkt, aber auch auf ihren Absatzmärkten entsprechend positionieren zu können.

Was sind nun die Treiber für den transformativen Wandel, der in vielen Unternehmen bereits wahrgenommen, diskutiert und in strategische Entscheidungen übersetzt wird? Fünf Faktorencluster lassen sich unterscheiden, die wir in den folgenden Abschnitten überblicksartig darstellen. Im Anschluss thematisieren wir, welchen Beitrag Corporate Foresight in diesem Feld leisten kann – und aus unserer Sicht sollte.

Primat der Innovation

In saturierten Märkten und unter den Vorzeichen eines verschärften globalen Konkurrenzdrucks sind Unternehmen gezwungen, kontinuierlich neue Wertschöpfungsoptionen jenseits ihres klassischen Kerngeschäftes zu realisieren. Das Unternehmen wird dadurch, zumindest dem Anspruch nach, zu einer Innovationsfabrik – nicht umsonst nimmt der Umsatz, den Unternehmen mit neu eingeführten Produkten und Services machen, stetig an Bedeutung zu. Ein systematisches Kompetenzmanagement verfolgt hier das Ziel, entsprechend der strategischen Innovationsausrichtung des Unternehmens, und eng mit ihr verzahnt, Kompetenzen aufzubauen – durch Zukäufe, durch Ausgründungen, die die Kompetenzentwicklung beschleunigen können, und durch eine zielstrebige Personalentwicklung.

Technologische Umbrüche

Die digitale Transformation hat sich zu einem strategischen Thema entwickelt, das in vielen Unternehmen zu Recht als zentraler Veränderungstreiber eingeordnet wird. Unter Stichworten wie Industrie 4.0, kollaborative Robotik, Big Data, Künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation werden Entwicklungen diskutiert, die in der Summe dramatische Veränderungen nach sich ziehen werden. Dazu kommen branchenspezifische Umbrüche – etwa der mittel- bis langfristig bevorstehende Übergang zum autonomen Fahren in der Automobilindustrie, die ersten Erfolge mit dezentralen Produktionstechniken, wie sie sich zum Beispiel im Speedfactory-Projekt von Adidas andeuten, oder der Wandel zu einem in Echtzeit gesteuerten Lastmanagement im Energiesektor. In der Zusammenschau resultieren aus diesen Entwicklungen weitreichende Konsequenzen in Bezug auf die technischen, aber auch organisatorischen Wissensbestände, die Unternehmen aufbauen bzw. ausbauen müssen, um am Markt zu bestehen.

Vernetzte Wertschöpfung

Innovation vollzieht sich nicht nur auf der Ebene von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch auf der Ebene von Wertschöpfungsstrukturen und Geschäftsmodellen. Die Erbringung von Leistungen über Plattformen ist dafür ebenso ein Beispiel wie performance-orientierte Geschäftsmodelle oder die Integration von unterschiedlichen Angeboten in komplexe Produkt-Service-Systeme. Innovation kann auch bedeuten, den Innovationsprozess selbst zu erneuern, etwa ihn für zufließendes externes Wissen zu öffnen, oder Kooperationen mit Unternehmen aus anderen Branchen zu suchen, um gemeinsam Cross-Industrie-Innovationen zu realisieren, die auf komplementären Kompetenzen der beteiligten Unternehmen beruhen. Generell gewinnen Schnittstellen- und Konvergenzmärkte an Bedeutung, wodurch die Bedeutung kollaborativer Prozesse zunimmt, die über die Grenzen einzelner Unternehmen hinausweisen.

Agile Organisation

Neben der Produkt- und Prozessinnovation wird auch die Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen in immer mehr Unternehmen zum Schlüsselthema – ob es um die Einrichtung agiler Prozesse bzw. Teams oder die Gründung eigener Startup-Inkubatoren geht. Um agile Organisationsformen zum Erfolg zu führen, ist eine neue Kultur des Zusammenarbeitens notwendig, die Mitarbeitern und Führungskräften neue Kompetenzen abverlangt – Soft Skills auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch querschnittsartige Kompetenzprofile, wie sie für die sogenannten „T-shaped Professionals“ typisch sind: Diese verfügen auf der einen Seite über generalistisches Wissen in unterschiedlichen Bereichen (der kurze Querbalken des “T”), auf der anderern Seite über vertieftes Spezialwissen auf einem bestimmten Kompetenzfeld (der lange senkrechte Balken des “T”). In diesem Zusammenhang gewinnen auch Kooperationen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern an Bedeutung, um gemeinsam die Kompetenzentwicklung voranzutreiben.

Was Competence Foresight auszeichnet

Zusammengefasst: Unternehmen stehen, vor dem Hintergrund einer dynamischen Entwicklung von Technologien, vor der Herausforderung, neue Geschäftsfelder mit Produkt- und Serviceinnovationen zu besetzen, die Potenziale innovativer Wertschöpfungsmodelle auszuloten, sich gleichzeitig auf organisationeller Ebene flexibler und beweglicher aufzustellen und noch konsequenter als bisher Innovation vom Kundenbedürfnis statt vom „Technology Push“ her zu denken. Auf allen Ebenen stellen sich neue Herausforderungen an die Kompetenzentwicklung im Unternehmen, auf die viele Unternehmen bereits in unterschiedlicher Weise reagieren. Da weder Unternehmen noch Belegschaften Kompetenzen über Nacht erwerben können, erfordert das Kompetenzmanagement ein vorausschauendes, langfristorientiertes Vorgehen.

Mit dem Competence-Foresight-Ansatz verbindet sich der Anspruch, das Kompetenzmanagement im Unternehmen unter Nutzung von erprobten Foresight-Methoden auf eine solche langfristorientierte Basis zu stellen. Ziel ist es, einen systemischen Blick auf zukünftig zu erwartende Kompetenzbedarfe zu gewinnen – auf personeller, auf technischer, auf prozessualer und auf organisationeller Ebene. Die Identifikation zukünftiger Anforderungen an das Unternehmen erfolgt dabei auf der Grundlage von konkreten Zukunftsbildern, die plausible Annahmen über zukünftige Entwicklungen mit unmittelbarer Relevanz für das Unternehmen verdichten.

Wie Competence Foresight vorgeht

In einer ersten Annäherung lässt sich die Vorgehensweise von Competence Foresight in vier Schritten beschreiben:

  1. Competence Mapping: Im ersten Schritt geht es darum, ein umfassendes Bild der gegenwärtig im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen zu gewinnen. Unserer Erfahrung nach haben zwar alle Unternehmen ein Verständnis ihrer Kompetenzen. Dieses muss jedoch präzisiert und konkretisiert werden, um im Competence-Foresight-Prozess Nutzen zu entfalten.
  2. Future Competence Requirements: Im zweiten Schritt geht es darum, aus der Innovationsstrategie des Unternehmens zukünftige Kompetenzanforderungen abzuleiten. Der Begriff „Innovationsstrategie“ ist hier in einem weiten Sinne zu verstehen. Er umfasst neue Wachstumsfelder, die die langfristige Innovationsausrichtung prägen werden, aber auch die oben angesprochenen weiteren Dimensionen des Innovationsbegriffs, etwa organisationelle Innovationen oder Innovationen auf der Ebene des Innovationsprozesses selbst.
  3. Gap Analysis: Die Gap-Analyse setzt die Ergebnisse der ersten beiden Schritte in Beziehung zueinander. Legt man die Ergebnisse übereinander, ergeben sich einerseits Insights über mittel- bis langfristige Kompetenzdefizite. Andererseits wird bereits deutlich, welche bereits bestehenden Kompetenzen miteinander verzahnt oder ausgebaut werden müssen, um die Lücke zu schließen.
  4. Competence Strategy: Im vierten Schritt entwickelt das Unternehmen unter Zuhilfenahme etablierter Foresight-Tools – strategischer Optionenraum, Zielbildentwicklung, Roadmapping – eine langfristige Kompetenzstrategie. Diese liegt an der Schnittstelle von Innovationsmanagement, Personal- und Organisationsentwicklung. Spätestens in diesem Prozessschritt sollten deshalb HR-Verantwortliche eingebunden werden, um die Anschlussfähigkeit der Ergebnisse im Unternehmen zu sichern.

Was Competence Foresight leistet

Die Leistung von Competence Foresight besteht darin, die Organisations- und Personalentwicklung im Unternehmen enger an die im Unternehmen bereits vorhandenen Erkenntnisse der strategischen Vorausschau anzubinden. Welche Kompetenzen im Unternehmen auf welche Weise zu entwickeln sind – das hängt davon ab, auf welche Zukunftsfelder das Unternehmen setzt, wie sich das Unternehmen als Organisation weiter entwickeln will, welche Prozessinnovationen im Unternehmen angestoßen werden sollen. Solche Fragen werden häufig in „Big Picture“-orientierten Foresight-Prozessen thematisiert, die inzwischen in vielen Unternehmen zur gelebten Praxis geworden sind. Die gewonnenen Erkenntnisse werden allerdings unserer Erfahrung nach noch zu selten als Ressource für die Organisations- und Personalentwicklung genutzt. Genau diese Lücke soll Competence Foresight zu schließen helfen.