Menu
Newsletter DE   |   EN

Meistern Sie die Kunst der strategischen Vorausschau!

Menschen neigen zur selektiven Wahrnehmung. Andreas Neef erklärt, wie Unternehmen mit den Werkzeugen der strategischen Vorausschau den Blick für unerwartete Veränderungen öffnen und ihre Zukunftsfähigkeit sichern können.

Von Andreas Neef

Zukunft ist heute allgegenwärtig. Ob in der FAZ oder in der Wirtschaftswoche, auf dem Zukunftskongress Ihrer Branche oder in der High-Tech-Strategie der Bundesregierung: Überall begegnen Ihnen Megatrends, Visionen und Zukunftstechnologien. Eine professionelle und praxisorientierte Auseinandersetzung mit der Zukunft des Unternehmens muss aber mehr sein als nur mehr oder minder bekannte Trends “nachzubeten”. Denn die Sicherheit, die Trends versprechen, ist häufig trügerisch.

Psychologische Studien zeigen, dass unsere Alltagswahrnehmung äußerst selektiv ist. In einem Experiment wurde den Versuchsteilnehmern ein Video gezeigt, in dem eine Gruppe junger Leute sich gegenseitig einen Ball zuwarf. Die Anweisung: “Zählen Sie, wie oft der Ball hin- und hergepasst wird.” Die Probanden erledigten ihre Aufgabe gewissenhaft. Aber keiner von ihnen wurde auf den als Gorilla (!) verkleideten Studenten aufmerksam, der gut sichtbar mitten durchs Bild lief. 

Das Experiment macht deutlich: Unser mentaler Fokus bestimmt, was wir wahrnehmen. In unserer Beratungspraxis beobachten wir etwas ganz Ähnliches: In jedem Unternehmen gibt es Dogmen, die nicht hinterfragt werden. Und die Trends, die im Unternehmen diskutiert werden, sind häufig genau die, die die Dogmen stützen. Der “Gorilla im Bild” dagegen wird übersehen! Zum Beispiel werden Entwicklungen im Unternehmensumfeld, die das eigene Geschäftsmodell gefährden, ignoriert oder nicht ernst genommen. Wir sehen nur die Indizien, die unsere Erwartungen stützen und lassen Warnsignale außer Acht. Im Ergebnis werden zukünftige Entwicklungen häufig falsch eingeschätzt. Ein Dogma der Energiewirtschaft lautete beispielsweise in der Vergangenheit: “Erneuerbare Energien sind und bleiben ein Randphänomen”. Heute machen Renewables bereits rund zwölf Prozent des deutschen Bruttoendenergieverbrauchs aus – und Energieversorger schreiben Verluste, nicht nur, aber auch weil sie die Entwicklung nicht ernst genommen haben.

Der selektiven Zukunftswahrnehmung ein Schnippchen schlagen

Die strategische Vorausschau bietet Werkzeuge, um unserer selektiven Wahrnehmung ein Schnippchen zu schlagen. Im Zentrum steht die Arbeit mit Szenarien. Ein Szenarioprozess, wie wir ihn mit unseren Kunden durchführen, ist eine gemeinsame Übung im Denken in Alternativen. Stellen sie sich als Unternehmer oft genug die Frage “Was wäre wenn …”? Im Szenarioprozess ist dafür Raum, im kleinen Team, unter Einbindung der gesamten Führungsmannschaft oder sogar der Gesellschafter. Dogmen, wie sie jedes Unternehmen kennt, werden transparent und können offen diskutiert werden. Verschiedene Möglichkeiten, wie sich Ihr Markt zukünftig entwickeln könnten, werden durchgespielt – auch auf den ersten Blick unwahrscheinliche. Am Ende des Prozesses steht ein gemeinsam entwickeltes und von allen getragenes Zukunftsbild, eine neue Sensibilität für Veränderungen und eine neue Offenheit im Denken.

Zusammenhänge und Wechselwirkungen erkennen

Ein wichtiges Element von Szenarioprozessen ist das vernetzte Denken. Denn wir Menschen haben neben unserer selektiven Wahrnehmung ein zweites Problem: Wir tun uns schwer damit, Zusammenhänge in vernetzten Systemen richtig zu beurteilen. Das Umfeld, in dem Sie sich als Unternehmen bewegen, ist ein solches System. Vieles ändert sich gleichzeitig und in Abhängigkeit voneinander. Kundenwünsche ändern sich ebenso wie regulatorische Rahmenbedingungen, neue Technologien werden entwickelt, neue Wettbewerber treten auf den Plan. Wir Menschen neigen aber zum linearen Denken: Wir teilen die Welt in einfache Ketten von Ursachen und Wirkungen ein. Auch das ist ein Grund, warum wir sowohl das Tempo als auch den Charakter von zukünftigen Veränderungen häufig falsch einschätzen.

In der Zukunftsarbeit mit unseren Kunden legen wir großen Wert darauf, das System der Abhängigkeiten und wechselseitigen Einflüsse, in dem sich Ihr Unternehmen bewegt, offenzulegen. Auch dafür eignet sich die Szenariomethode. Aus der “Helikopterposition” kommt das Ganze in den Blick; man verliert sich nicht länger in Details. So wird der Blick für disruptive Entwicklungen geschärft, die sonst unserer Aufmerksamkeit zu entgehen drohen. In China werden bereits ganze Stadtvillen mit Hilfe des 3D-Drucks gebaut. Was heißt das für die deutsche Bauindustrie, in zehn oder fünfzehn Jahren? In Szenarioprozessen werden Antworten auf solche Fragen gefunden.

Marktumbrüche antizipieren

Szenarien beschreiben zukünftige Entwicklungen zunächst auf einer qualitativen Ebene. Sie sind Beschreibungen möglicher Zukünfte und ihrer Relevanz für Unternehmen in einer verständlichen Sprache. Um konkrete Entscheidungen zu treffen oder langfristige Investitionen zu begründen, benötigen unsere Kunden jedoch eine Übersetzung der Szenarien in konkrete Zahlen. Mit Systemdynamik-Modellen, wie wir sie einsetzen, lassen sich Zukunftsbilder anhand klarer quantitativer Marktindikatoren konkretisieren. So kann qualifiziert beurteilt werden, wann und unter welchen Bedingungen sich gewisse Trends am Markt durchsetzen können oder es zu sogenannten “Tipping Points” kommt, kritischen Entscheidungspunkten, an denen sich die Situation am Markt sehr rapide verändern kann – zum Guten aber auch zum Schlechten. 

Solche Analysen sind in turbulenten Marktumfeldern besonders wichtig, wie sie immer mehr Branchen prägen. Mit einem Kunden aus der Chemieindustrie haben wir ein Systemmodell entwickelt, mit dem sich die Konkurrenzfähigkeit alternativer Prozesstechnologien unter den Annahmen unterschiedlicher Rohstoff- und Energiepreisszenarien „durchspielen“ lassen. So entsteht in hohem Maße entscheidungsrelevantes – und oftmals überraschendes - Zukunftswissen zur Absicherung der Kapazitäts- und Investitionsplanung des Unternehmens.

Zukunftsfähigkeit sichern

Strategische Vorausschau ist “Out of the Box Thinking” im besten Sinn: die eigenen Annahmen auf den Prüfstand stellen, zu einer neuen Unvoreingenommenheit kommen, Chancen und Risiken klar erkennen. Auf der Basis eines fundierten Zukunftsbildes identifizieren wir mit unseren Kunden Perspektiven für zukünftige Wertschöpfung: lukrative Wachstumsfelder und strategische Handlungsoptionen.